Zum aktuellen Wettbewerb 2024

 

Die Förderer und Sponsoren

Unser Dank gilt allen Förderern und Sponsoren, welche den Tag der Handschrift an den hessischen Schulen der 6. und 7. Klassen und unser Anliegen tatkräftig unterstützen:

 

 

Zwei langjährige Förderer unserer Projekte - mit welchen wir die Kinder und Jugendlichen an den hessischen Schulen unterstützen, eine flüssige und lesbare Handschrift zu entwickeln - haben sich anlässlich der Preisverleihung zum Tag der Handschrift 2022 bereit erklärt, mit uns ein Interview zu führen.

Erfahren Sie mehr darüber, wie es um die eigene Handschrift steht, welche Bedeutung dem Schreiben mit der Hand zugemessen wird, welchen Herausforderungen sich diese Institutionen in der Zeit der Pandemie stellen mussten.

Wir freuen uns, Ihnen die Interviews mit Herrn Dr. Benedikt Rey, Geschäftsführer der BildungsChancen gGmbh und Herrn Lutz Roschker, Vorstand der PwC-Stiftung, präsentieren zu dürfen.

Natürlich sprachen wir auch mit Herrn Boehringer, dem Vorsitzenden des Stiftungsrates der Stiftung Handschift.

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Gastbeiträge

Ein wichtiger Bestandteil der Bücher zum jeweiligen Tag der Handschrift und der darin enthaltenen 100 Briefe der Preisträgerinnen und Preisträger sind die Gastbeiträge. Hier laden wir bekannte Personen aus verschiedenen Bereichen – Wissenschaft, Kultur, Sport, Journalismus etc. – ein, einen Beitrag zum Thema des Wettbewerbes aus ihrer persönlichen Sicht zu schreiben.

Es entstehen hierbei beindruckende Reflektionen über die Briefe der teilnehmenden Kinder, Berichte und neue Einsichten über den aktuellen Stand der Forschung, philosophische Betrachtungen über das Schreiben.

Kurz gesagt: die Texte und ihre Autorinnen bzw. Autoren zeigen, was das Schreiben im Kern ausmacht: Vielfalt, Individualität, Wissen und neue Perspektiven.

Hier eine Auswahl der Gastbeiträge aus dem Buch „Freiheit“. Wir bedanken uns an dieser Stelle sehr herzlich für die Zeit, die sich Autorinnen und Autoren genommen haben und für die hochwertigen Texte, welche das Buch bereichern.

Freiheit, sich handschriftlich mitzuteilen

Die BildungsChancen gGmbH ist Veranstalterin der Soziallotterie freiheit+, aus deren Erträgen Bildungsprojekte gefördert werden. Als Geschäftsführer der BildungsChancen trage ich zusammen mit dem Kuratorium die Verantwortung dafür, dass die Mittel innovativen und nachhaltigen Projekten zugutekommen. Da die Stiftung Handschrift diese Voraussetzungen vorbildlich erfüllt, unterstützen wir diese gerne bei ihrem Anliegen, insbesondere Kinder und Jugendliche für das Schreiben mit der Hand zu begeistern.

Unabhängig von der Förderung der Stiftung Handschrift durch unsere Soziallotterie freiheit+ habe ich persönlich ein ausgeprägtes Faible für handschriftliches Schreiben. Dabei sind „Freiheit“ und „Handschrift“ zwei Begriffe, die nicht voneinander zu trennen sind. Ich selbst habe Schreiben in der Grundschule noch mit Kreide auf einer Tafel mit vorgegebenen Linien gelernt. Viel Raum für Kreativität gab es da nicht, jeder Buchstabe musste sitzen. War ein Wort nicht ordentlich genug oder gar falsch geschrieben, wurde man zur Strafe auch schon einmal in die Ecke gestellt. Ich gehörte natürlich auch zu den Übeltätern, hatte ich doch meine Lehrerin darauf hingewiesen, das Wort „Bonbon“ falsch an die Tafel gekritzelt zu haben. Nicht mit zwei „n“, nein, mit zwei „m“ würde es richtig geschrieben.

Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Kindheitserinnerungen ist bei mir die Lust am handschriftlichen Schreiben stetig gewachsen. So schreibe ich seit Langem am allerliebsten mit dem Füllfederhalter, gerne aber auch mit dem Bleistift. Das Schreiben mit einem Füller ist dabei für mich auch ein Spiel, ein Spiegelbild von Stimmungen, vielleicht sogar ein wenig Kunst: breite Feder, schmale Feder, angeschrägte Feder, rote, blaue, grüne Tinte. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Natürlich arbeite und lebe auch ich in einer zunehmend digitalen Welt. Daher schätze ich es umso mehr, dem geschriebenen Wort durch meine Handschrift eine eigene Note zu verleihen. Und ich glaube, dass das individuelle Schriftbild auch ein Spiegel des Charakters ist.

Zudem ist es für mich auch eine besondere Art der persönlichen Wertschätzung, anderen etwas handschriftlich mitzuteilen. Dabei gehen die Meinungen über mein Schriftbild deutlich auseinander. Viele sagen, was für ein tolles Ensemble an Buchstaben und Wörtern, andere sind beim Entschlüsseln eher der Verzweiflung nahe. Es hält sich so in etwa die Waage!

Es grüßt Sie und die Stiftung ganz herzlich

Dr. Benedikt M. Rey

Geschäftsführer BildungsChancen gGmbH

Die Handschrift als Manifestation der Gedankenfreiheit

Gedanken sind frei, Worte aber nur bedingt. Erst in verbalisierter oder verschriftlichter Form entfalten Gedanken ihre Macht: „Am Anfang war das Wort.“ Schriften sind Zeichensysteme zum Vermitteln von Wissen und Botschaften. Schriftliche Kommunikation erfordert die Lese- und die Schreibfähigkeit. Die Entwicklung beider Fähigkeiten wird als Schriftspracherwerb bezeichnet. Dieser Begriff umfasst die technische, die ästhetische und die soziale Dimension schriftsprachlicher Handlungskompetenz.

Im Gegensatz zum reinen Spracherwerb, der früh aus eigenem Antrieb erfolgt, ist der Schriftspracherwerb ein begleiteter Entwicklungs- und Lernprozess. Dabei stellt das Schreiben per Hand als Umwandlung von Buchstaben und Lauten in Handbewegungen eine kognitive und feinmotorische Herausforderung dar. Deshalb besteht das Schreibtraining aus drei Phasen: dem Abschreiben von Buchstaben, dem Rechtschreiben, das heißt der korrekten Schreibung von Wörtern und Sätzen, und dem Textschreiben als kreativer Akt.

Die Lese- und Schreibfähigkeit ist die Grundvoraussetzung für alle Bildungsprozesse und – da moderne Gesellschaften in weiten Teilen auf Texten basieren – für die soziale Teilhabe. Insofern stärkt der Schriftspracherwerb die persönliche Freiheit, deren visueller Ausdruck die Handschrift ist. Zwar folgt das Schreibenlernen bestimmten Schemata – alle Schüler erlernen dieselben Buchstaben und führen dieselben Schwungübungen aus –, aber die durch die Hand erzeugte Schrift ist individuell höchst unterschiedlich und gilt als Ausdruck der Persönlichkeit.

Deshalb gehörte ein handgeschriebener Lebenslauf jahrzehntelang zu einer Bewerbung und sind allein handschriftlich verfasste Testamente gültig. Was die Handschrift tatsächlich über die Persönlichkeit aussagt, ist umstritten. Unbestritten ist jedoch, dass ein handgeschriebener Gruß – gerade im digitalen Zeitalter – als besonders persönlich gilt. Dass Handschrift indes kein Synonym für Schönschrift ist, hatte schon US-Präsident John Adams erkannt: „Das Einzige, was die meisten Menschen besser können als alle anderen, ist ihre eigene Handschrift zu lesen.“

Ob leserlich oder nicht: Das Schreiben per Hand verbessert die sensomotorischen Prozesse, erhöht die Merkfähigkeit für das Geschriebene und erleichtert das Lernen. Deshalb sollte diese Schreibfähigkeit in der Schule verstärkt trainiert werden. Auch hier kann die Digitalisierung helfen, etwa durch Software, die die Schreibfähigkeit von Schülerinnen und Schülern analysiert und ihnen Übungen vorschlägt. Das reicht jedoch nicht, um die Lust am Handschreiben zu wecken. Dazu bedarf es schülergerechter Initiativen, die zu einem kreativen „Texten“ per Hand einladen. Gerne unterstützen wir deshalb den Tag der Handschrift.

Lutz Roschker

Vorstand der PwC-Stiftung

Freiheit – eine gute Idee!

Auch wenn wir oft gedankenlos handeln, so steuert doch im Prinzip unser Denken unser Verhalten. Wir laufen nicht als unbewusste Traumtänzer oder Zombies durch die Welt. Vielmehr denken wir darüber nach, was wir tun.

So einfach dies zunächst sein mag, so heftig scheint dies heute durch die moderne Gehirnforschung infrage gestellt zu werden. Schon bevor eine Versuchsperson sich entschließt, etwas Bestimmtes zu tun, also beispielsweise den Finger nach links oder rechts zu bewegen, findet sich ein Signal im Gehirn dieser Person, das diese Bewegung kodiert. Waren es früher noch 300 Millisekunden davor, so konnten kürzlich deutsche Wissenschaftler diesen Wert auf sieben Sekunden steigern. „Unser Gehirn hat sich also schon entschieden, wenn ich glaube, mich zu entscheiden. Also ist die Freiheit des Willens eine Illusion“ – so oder so ähnlich argumentieren nicht wenige Gehirnforscher. Haben sie recht? Und was folgt daraus?

Erst einmal kann man auch ohne Gehirnscanner das Verhalten der Menschen meistens voraussagen. Wenn Sie es nicht glauben, dann gehen Sie bitte einmal hungrig vor dem Essen und ein anderes Mal satt nach dem Essen in den Supermarkt zum Einkaufen. Sie werden den Unterschied im Einkaufswagen und Ihrem Geldbeutel deutlich merken. Haben Sie also unfrei gehandelt?

Ich glaube nicht! Sie hätten sich auch anders verhalten können, hätten beispielsweise das eine oder andere trotz großer Sättigung kaufen oder trotz großen Hungers nicht kaufen können. Ihr Körper (mitsamt seinem Hunger oder seinem Gefühl der Sattheit) hat jedoch bestimmte Ideen in Ihrem Geist aktiviert, und genau solche Ideen steuern unser Verhalten. Weil ich weiß, dass mir Bewegung gut tut, gehe ich joggen. Weil ich meine Familie ernähren will, gehe ich arbeiten. Weil ich gerne schwimmen gehe, fahre ich mit dem Rad zum Badesee. Immer wieder das Gleiche: Ideen steuern Verhalten.

Unter den vielen unser Verhalten beeinflussenden allgemeinen Ideen (wie beispielsweise „Gesundheit“ oder „Geld“) gibt es eine ganz besondere, die allen ideengesteuerten Verhaltensweisen zugrunde liegt: Die Idee der Freiheit. Wäre ich nicht frei, könnte ich auch nicht joggen gehen wollen. Eine repräsentative Umfrage in 36 Ländern bestätigt dies: 70 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass ihr Schicksal in ihren eigenen Händen liegt. Sitzen sie alle einem veralteten Weltbild auf?

Nein! Denn die Idee, dass alles in meinem Kopf wie ein Uhrwerk abläuft, lässt sich wissenschaftlich nicht beweisen. Ein Stein rollt den Berg hinab, vielleicht wie ein Uhrwerk, er hat keine „Wahl“. Ein Blutegel kann sich unter bestimmten Voraussetzungen schon durchaus zwischen Schwimmen und Krabbeln entscheiden und ein Affe kann alles Mögliche tun. Ein Mensch allemal. Wenn es also ein Organ gibt, das für Freiheit geradezu zuständig ist, dann ist es das menschliche Gehirn. Wo sollte die Freiheit sonst ihren Sitz haben? In der Leber oder selbst im Herzen sitzt sie gewiss nicht! Menschliche Gehirne produzieren nicht nur Muster neuronaler Aktivierung, sondern auch Erleben und Erkenntnis, Geschichten und Bedeutungen, Pläne und Hoffnungen, Selbstbewusstsein und Nächstenliebe. Und Freiheit. Um diese kämpfen Menschen sogar, bis hin zum Opfer des eigenen Lebens. Wer behauptet, Menschen seien prinzipiell nicht frei, der sagt damit nicht nur etwas Unbewiesenes, sondern sogar etwas Unbeweisbares und er behauptet etwas, das die meisten Menschen nicht so erleben.

Es gibt sogar einen guten Grund, sich als frei zu denken: Nur wer sich Freiheit nimmt, ist auch frei und verhält sich entsprechend: Er tut „freiwillig“ Gutes. Diese Überlegung geht auf Immanuel Kant zurück, der Freiheit eine „regulative Idee“ nennt. Sie reguliert mein Verhalten, etwa so wie die Idee „Gesundheit“.  Wer behauptet, der Mensch sei nicht frei oder gar die Marionette seines Gehirns, dem hätte schon Kant darauf geantwortet, dass ich den freien Willen annehmen muss, um überhaupt mein Leben selbstbestimmt zu leben – ganz gleich, ob ich Wissenschaftler bin oder nicht.  Wie eingangs erwähnt, gehen die meisten Menschen davon aus, sich frei zu entscheiden. Das sollten sie auch weiterhin tun. Denn Freiheit ist – im besten Sinne des Wortes und ganz allgemein – eine gute Idee!

Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer

Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III Universität Ulm

Freiheit, die einem Blatt Papier entspringt

Die Geschichten, die ich erzähle – ganz gleich, ob sie nun für Erwachsene, für Jugendliche oder für Kinder sind – beginnen stets auf dieselbe Weise: mit einem weißen Blatt Papier.

Sie haben richtig gelesen.

Kein Bildschirm, keine Tastatur.

Papier.

Ich habe ein Notizbuch, das ich mit mir herumzutragen und in dem ich neue Einfälle und Ideen aufzuschreiben pflege. Natürlich ist es nicht immer dasselbe Büchlein – innerhalb von beinahe drei Jahrzehnten schriftstellerischer Tätigkeit haben sich durchaus ein paar Bände angesammelt. Aber bislang hat noch jedes Projekt auf diese Weise seinen Anfang genommen. Und obwohl meine Handschrift gruselig ist und nur ich selbst sie lesen kann (bestenfalls), habe ich diese Tradition über die Jahre beibehalten – warum?

Offen gestanden kann ich es selbst nicht erklären. Aber ich kann beschreiben, was ich empfinde, wenn ich eine frische Seite aufschlage und eine neue Idee zu Papier bringe – in Stichworten, manchmal auch in kleinen Schaubildern und Skizzen, schließlich in ganzen Sätzen. Es ist ein Gefühl von kreativer Freiheit, das ich dabei empfinde und dem der Zauber des Anfangs innewohnt. So ziemlich alles kann auf diesen weißen Seiten entstehen, und so haben im Lauf der Zeit recht bunte Gestalten ihren Weg von meinem kleinen Notizbuch in die Bücherregale gefunden, Greife, Orks und Außerirdische eingeschlossen … doch sie alle sind jenem weißen Blatt Papier entsprungen, das für mich ein Sinnbild schöpferischer Freiheit ist.

Was nicht bedeutet, dass es immer einfach war – nichts kann so inspirierend sein wie ein weißes Blatt Papier, und auch kaum etwas so frustrierend. Ideen lassen sich nicht erzwingen, Gedanken nicht beschleunigen. Ein Blatt Papier, das darauf wartet, beschrieben zu werden, stellt immer auch eine Herausforderung dar, manchmal eine Zumutung, in jedem Fall ein Abenteuer.

Die in diesem Buch versammelten Preisträgerinnen und Preisträger haben sich alle auf dieses Abenteuer eingelassen. Die Art und Weise, wie sie von ihrer vielleicht persönlichsten Ausdrucksweise, nämlich ihrer Handschrift, Gebrauch gemacht haben, um ihre ebenso persönlichen Gedanken zum Thema „Freiheit“ zu formulieren, hat mich als Angehörigen der schreibenden Zunft tief beeindruckt. Wenn jede Generation eine neue, noch unbeschriebene Seite aufschlägt, dann enthält dieses Buch das Versprechen, dass dieses Blatt nicht leer bleiben, sondern mit neuen, inspirierenden Gedanken und Ideen gefüllt sein wird.

Mit herzlichem Glückwunsch an alle Preisträgerinnen und Preisträger

Ihr/Euer

Michael Peinkofer

Autor, Filmjournalist und Übersetzer

Alltag und Gedankenfreiheit

Zu Beginn jeder Schulstunde hat mein damaliger Kunstlehrer das Lied „Die Gedanken sind frei“ angestimmt und wir Schüler*innen haben mitgesungen. Wer das Lied nicht kennt, sollte es sich unbedingt anhören!

Dieses Lied hat schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel, ist aber deshalb nicht weniger aktuell. Auch heute kommt es ständig darauf an, wo die eigene Freiheit anfängt und wo sie aufhört, auch um die Freiheiten anderer zu schützen. Besonders im sozialen Umgang mit unseren Mitmenschen, mit Tieren und Sachen ist unsere Freiheit nicht grenzenlos. Zum Teil wird sie durch Gesetze eingeschränkt (zum Beispiel durch § 242 des Strafgesetzbuchs, der den Diebstahl fremder Sachen zur Strafe stellt), zum Teil aber auch durch unser gesellschaftliches Wertesystem, etwa möglichst pünktlich zu sein oder auch Lebensmittel nicht unnötigerweise wegzuwerfen.

Es gibt aber auch sehr banale Einschränkungen, beispielsweise, dass man seine Spielfigur bei „Mensch ärgere dich nicht“ nur dann sechs Felder nach vorne bewegen darf, wenn man eben auch eine Sechs gewürfelt hat.

Wenn man also sein eigenes Verhalten und Denken reflektiert, fallen viele kleine Freiheitsbegrenzungen und -einschränkungen in alltäglichen Situationen auf, die unser Verhalten prägen, aber gleichzeitig ein Gefühl von „Unfreiheit“ hervorrufen können. Auch stressige und unangenehme Situationen oder ein immer gleicher Tagesablauf können unsere gefühlte Freiheit, also auch unsere Gedankenfreiheit, negativ beeinflussen. Denn wenn ich sehr gestresst bin, kann ich ja gerade nicht frei (und nur schwer positiv) denken. Und solche Gedanken hat jede*r.

Deshalb sollte zu unserer Gedankenfreiheit nicht nur gehören, tatsächlich einen Gedanken frei fassen zu dürfen, sondern auch, uns von (negativen) Gedanken befreien zu können, selbst wenn es nur für eine begrenzte Zeit ist. Also einen Moment herbeizuführen, in dem ich nicht nachdenken muss, all meine Sorgen und Ängste links liegen lassen und einfach „abschalten“ kann. Denn ich glaube, dass nur dann unsere Gedanken vollkommen frei sind.

Für mich waren immer Sport und Bewegung der Schlüssel zu diesem Freiheitsgefühl. Wenn ich mich auf dem Basketballspielfeld, im Schwimmbad oder draußen im Park bewege, mein Puls steigt und ich mich körperlich anstrenge, fallen alle meine Sorgen von mir ab. Ich fühle mich frei, weil ich in diesen Momenten frei von Gedanken bin und einfach lebe.

Jede*r braucht einen gedanklichen „Abschaltknopf“. Was ist deiner?

Nico Dreimüller

Nationalspieler Rollstuhlbasketball und Paralympics-Teilnehmer 2016 und 2021

Der Mensch ist nur da ganz frei, wo er spielt

Der Freiheitsdrang erwacht bei Kindern schon früh. Sobald sie laufen können, versuchen sie sich dem festen Griff erwachsener Hände zu entwinden: Sie wollen „allein gehen“. Durch kein Gängelband in ihrer Bewegung gehindert, schlagen sie eigene Wege ein, um ihre Umgebung zu erkunden, beäugen Dinge aus der Nähe, fassen sie an, verschieben lose Materialien oder beginnen damit zu spielen. Spielend erleben sie eine Freiheit, die sie selbstschöpferisch macht. Die Spiele verändern sich, wenn die Kinder größer werden. Es bleibt das Gefühl von Freiheit, das in der Entdeckung der Bewegungsfreiheit, des Allein-Gehen-Könnens seinen Ursprung hat und sich bis in die intellektuellen Lernprozesse des Lesen-, Schreiben- und Rechnenkönnens fortsetzt.

Sich spielerisch zu betätigen, macht Kindern Spaß, auch und gerade wenn damit körperliche und geistige Anstrengungen verbunden sind. Wenn man beobachtet, mit welcher Konzentration Kinder in allen Altersklassen spielen, wie genau sie darauf achten, was sie tun oder zu vermeiden suchen, mit welchem Enthusiasmus sie bei Problemen strategische, lösungsorientierte Überlegungen anstellen und Herausforderungen an ihre Geschicklichkeit, ihre Kombinationskraft und ihre Fantasie begeistert annehmen, sieht man die Früchte, die ihr Freiheitsdrang hervorgebracht hat.

Aber nicht nur Kinder lieben das Spiel. Es ist auch in Kunst und Kultur ein wesentlicher Faktor, der Freiheitsräume eröffnet. Theater, Musik und Literatur erschließen durch spielerische Präsentation Zusammenhänge, die uns mit gesteigerter Intensität hören, sehen und fühlen lassen, was die Menschen emotional umtreibt. Wir entdecken überraschend neue Perspektiven, die andere Gestaltungsmöglichkeiten unserer Lebenswelt verheißen. Das Spiel holt die Fantasie  mit ins Boot, entgrenzt die Vorstellungskraft und befreit von den Routinen der Alltagswirklichkeit.

Für Kinder ist dieser Überschuss über die alltäglichen, vielfach durch Gebote und Verbote reglementierten Abläufe ein Anstoß zur Entwicklung ihrer Kreativität. Spielerisch versetzen sie sich in eine andere Welt, in der sie die Akteure sind und lustvoll von ihrer unbeschränkten Freiheit Gebrauch machen. Selbst kleine Kinder spielen hingegeben und selbstvergessen, wenn sie im Sandkasten Objekte formen und sie genüsslich wieder zerstören. Größere Kinder, die mit- und gegeneinander spielen, üben sich nebenher in den Sinn von Spielregeln ein. Dabei lernen sie auch etwas über die Freiheitsrechte der anderen Beteiligten, die sie zu Ehrlichkeit und Fairness verpflichten.

Lesende Kinder tauchen ein in Märchen- und Traumwelten. Mit dichterischer Freiheit können sie die erzählten Geschichten spielerisch verändern, die Hauptfiguren als gut oder böse qualifizieren und sich voller Genugtuung über deren schlimmes Ende freuen. Am meisten bei sich selbst ist ein Kind, das im Geheimen Tagebuch schreibt und dabei in völliger Freiheit seine intimen Gedanken, Erlebnisse und Gefühle zu Papier bringt. Das Spiel mit Wörtern und Ausdrucksformen macht nicht nur sprachkompetent, sondern steigert auch das Selbstbewusstsein.

Prof. Dr. Annemarie Pieper

Professorin für Philosophie an der Universität Basel (emer.)

„Ich bin der Räuber Hotzenplotz, mich hält niemand zurücke. Wenn ich an meine Freiheit denk', das ist mein größtes Glücke.“

So singt der Räuber Hotzenplotz in der 2006 gedrehten Neuverfilmung des gleichnamigen Kinderbuchklassikers von Otfried Preußler. In 34 Sprachen übersetzt und über 7,5 Millionen Mal verkauft, handelt Preußlers Hotzenplotz-Trilogie von den Abenteuern der Freunde Kasperl und Seppel, die dem im Walde lebenden Räuber mit Entdeckerlust und Fantasie auf der Spur sind. Die literarische Figur des Räubers ist keineswegs nur negativ besetzt. Zwar war er geächtet, aber auch frei. Um die Auflehnung gegen Autoritäten und den Kampf gegen Unrecht geht es etwa in Friedrich Schillers 1782 uraufgeführtem Drama „Die Räuber“. Einen Höhepunkt des Stückes bildet der Aufruf „Tod oder Freiheit“, mit dem die im Böhmerwald von Soldaten umzingelte Räuberbande ihrem Anführer Karl Moor die Treue schwört.

Dass Kasperl und Seppel den Räuber Hotzenplotz fangen möchten, weil sie Wachtmeister Dimpfelmoser das nicht zutrauen, kann als Auflehnung gegen Autoritäten sowie als Akt der Selbstermächtigung gedeutet werden. Zu Recht hat der Regisseur Paul Sonderegger deshalb Preußlers 1962 erstmals erschienenen „Hotzenplotz“ als „Ermutigungsgeschichte“ bezeichnet. Indem Preußler Kinder ermutigte, wie Kasperl und Seppel selbstwirksam zu werden, brach er mit der bis dato vorherrschenden Abschreckungspädagogik à la „Struwwelpeter“, die Kindern die – ausnahmslos bösen – Folgen aufzeigte, wenn sie sich Freiheiten nähmen und den Vorgaben der Erwachsenen widersetzten. Das wilde, ungezogene und deshalb scheiternde Kind bildete die erzieherisch lange wirkmächtige Kontrastfolie zum Ideal des braven, ordentlichen und frommen Kindes. Nicht Selbstwirksamkeit war das Ziel dieser Pädagogik, sondern Folgsamkeit.

Diese Zeiten sind vorbei. Längst ist bekannt, dass Kindheitserfahrungen die Menschen ein Leben lang prägen. Wer als Kind viele Freiheiten genoss, entwickelt sich meist zu einer eigenständigen, starken Persönlichkeit und ist auch im Berufsleben erfolgreich. Das ist kein überraschender Befund. Denn der Drang zur Freiheit, das wilde Herumtoben und die Faszination des Unbekannten sind etwas genuin Kindliches. Freiheit heißt entdecken, Grenzen austesten und überschreiten, Fehler machen und aus ihnen lernen. Dazu gehören Selbstbewusstsein und Selbstkritik, Eigenverantwortung und Mut. Deshalb ist es beruhigend, dass trotz aller Zähmung in den meisten Erwachsenen zeitlebens ein Kind steckt, d.h. ein – wenngleich gezügelter – Freiheitsdrang. Das macht Preußlers Räubergeschichten nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene bis heute lesenswert.

Dr. Steffen Bruendel

Leiter PwC-Stiftungsteam