Liebe Brieffreundinnen und Brieffreunde,
wie wunderbar, dass ihr entdeckt habt, wie spannend das Briefeschreiben auch heute noch ist. Manchmal kommt es einem etwas altmodisch vor, im Zeitalter von WhatsApp, Instagram und E-Mail noch Briefe zu schreiben. Sie sind langsam. Sie sind aus Papier. Und es dauert länger, sie zu schreiben, als eine elektronische Nachricht zu erstellen.
Ein Brief wird verfasst, unterschrieben, ihr müsst ihn zum Briefkasten tragen (und freut euch vielleicht, die heutige Leerung noch erwischt zu haben). Er wird aus einem Postsack geschüttelt, sortiert und gewogen, in einen Lastwagen verladen und zum Zug gebracht oder zum Flugzeug, wird nach langer Reise wieder ausgeladen und am Ende vielleicht mit einem Fahrrad durch die Straßen gefahren, bis er genau dort landet, wo ihr ihn haben wollt.

Titus Müller
www.titusmueller.de

Gaby Trombello-Wirkus
www.schriftschatz.de
Aber wie ungleich größer als bei einer getippten Kurznachricht ist dann die Freude, ihn in den Händen zu halten. Ein Brief hat Knicke. Er hat Kratzer. Er hat einen fleckigen Stempel. Vielleicht haben Regentropfen beim Transport die Schrift etwas verlaufen lassen. Ein Brief ist nicht synthetisch rein wie eine E-Mail. Er hat eine Reise hinter sich, das sieht man ihm an. Wenn ihr einen Brief schreibt, schenkt ihr etwas, das eine Reise macht und ein Abenteuer zu absolvieren hat, bis es sein Ziel erreicht.
Wir haben die Dinge gern sofort. Musik aus dem Computer, kein Warten auf eine bestimmte Sendung im Radio. Filme und Serien, die wir auf einen Mausklick hin streamen können. Wir sind dabei, das Warten zu verlernen. Aber manche Dinge entstehen nicht schnell, sondern nur behutsam und mit Zeit. Freundschaft zum Beispiel. Und ein Brief.
Einen Brief zu schreiben braucht manchmal auch großen Mut. Er ist in Tinte gefasste Verletzlichkeit. Ihr wählt bewusster aus, was ihr mitteilt, und manches würde vielleicht nie ausgesprochen werden. Liebesbriefe tasten sich an diese größtmögliche Verletzlichkeit heran, an das Geständnis, einem anderen Menschen vollkommen verfallen zu sein, ihn zu brauchen wie die Luft zum Atmen. Uns bewegt ein mit Tinte geschriebenes Liebesgeständnis tiefer als jedes noch so charmante Kompliment. Vielleicht wurde der Brief auf besonderem Papier geschrieben. Ihr schnuppert an Papier und Umschlag, weil die Verfasserin oder der Verfasser Tinte mit einem besonderen Duft für euch ausgewählt hat. Die Senderin oder der Sender hat den Brief in jedem Fall sorgfältig beschrieben und gefaltet und eingetütet. Er wurde von ihr oder ihm berührt. Das ist in unserer digitalen Welt etwas Besonderes.
Das Schreiben eines Briefes macht natürlich auch großen Spaß. Ihr könnt neue Schriften ausprobieren und abseits der täglichen Schreibroutine für Schule, Studium oder Beruf wieder Freude am kreativen Gestalten von Schrift entwickeln. Ihr nutzt eure Hand als ureigenes Werkzeug und erkennt, was ihr mit etwas Übung alles aus eurer eigenen Schrift machen könnt. Dazu wartet ein unglaublich großes Angebot an wunderschönen Papieren, Stiften, Tinten und Füllfederhaltern darauf, von euch entdeckt zu werden. Darin zu schwelgen, diese Dinge zu fühlen, zu testen, zu sammeln, ist ein Erlebnis für alle Sinne und begeistert immer wieder aufs Neue.
Das Schreiben eines Briefes macht euch hellwach und lebenszugewandt. Einmal abseits der Berieselung durch Fernsehen, Computer, Tablet oder Smartphone. Für den Brief sammeln wir uns. Indem ihr euch im Brief ausdrückt, ordnet ihr euer Leben. Ihr nehmt eure Ziele fester in den Blick, könnt euch eine neue Klarheit schaffen. Das ist etwas Gutes, denn dieses Leben hat jede Aufmerksamkeit und jedes Interesse verdient.
Echte Briefe sind heutzutage selten geworden. Umso mehr werden sie geschätzt. Sie geben uns das Gefühl, für jemanden wichtig zu sein. Ein Brief macht den Tag schöner, und nichts anderes hat die Absenderin oder der Absender bezweckt. Niemand soll sagen, ein Brief sei eine Lappalie, eine Nebensächlichkeit oder von gestern. Er ist heute genauso modern, wichtig und geliebt wie früher.
Ihr, liebe Brieffreundinnen und Brieffreunde, habt das erkannt. Das ist wirklich wunderbar und wir wünschen euch viele besondere Lebensmomente beim Schreiben und Empfangen hoffentlich vieler Briefe.
Herzlich
Euer Titus Müller und eure Gaby Trombello-Wirkus